Unzulässige Differenzierung im Stundenlohn
„§ 3 Arbeitszeit, Arbeitsort
Von beiden Vertragsparteien ist ein möglichst regelmäßiger Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers gewünscht.
Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 16 Stunden pro Monat. darüber hinaus kann der Arbeitnehmer im gesetzlichen Rahmen der geringfügigen Beschäftigung weitere Stunden ableisten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich aktiv um Schichten zu kümmern.“
Die Arbeitgeberin teilt den Mitarbeiter nicht zu Diensten ein, der Mitarbeiter erhält vielmehr einerseits u.a. über WhatsApp Anfragen bezüglich zu besetzender Dienste, die nicht angenommen werden müssen und kann andererseits Wunschtermine für Einsätze selbst benennen. Im Betrieb werden zudem Rettungsassistenten in Vollzeit und Teilzeit beschäftigt, deren Stundenlohn bei mehr als 17 EUR brutto liegt. Der Mitarbeiter forderte die Arbeitgeberin deshalb am 15.05.2020 unter Berufung auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auf, rückwirkend zum 01.01.2020 den Bruttostundenlohn auf 17 EUR zu erhöhen, was von der Arbeitgeberin unter Verweis auf eine Gleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Minijobber zurückgewiesen wurde.
Der Mitarbeiter war der Ansicht, dass er bei gleicher Arbeit aufgrund seiner geringfügigen Beschäftigung nicht so wie ein Vollzeitbeschäftigter behandelt und vergütet werde, was gegen § 4 TzBfG verstoße. Es kam zum Gerichtsprozess. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Mitarbeiters hob das Landesarbeitsgericht die Entscheidung auf und gab der Klage statt.
Der von dem Mitarbeiter geltend gemachte Anspruch ergibt sich als übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB) entsprechend den Regeln, die die Arbeitgeberin für ihre vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer anwendet. Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die niedrigere Stundenvergütung ist wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG nach § 134 BGB nichtig. Die Praxis der Arbeitgeberin, teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, die von der Arbeitgeberin zur Arbeitsleistung eingeteilt werden, einen Stundenlohn von 17 EUR zu zahlen, während den von der Arbeitgeberin nicht zur Arbeitsleistung eingeteilten Arbeitnehmern nur ein Stundenlohn von 12 EUR gezahlt wird, verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG.
Das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG betrifft nach dem Wortlaut dieser Bestimmung das Verhältnis von teilzeit- zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Das Verbot gilt allerdings auch dann, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden, sofern eine Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und die andere Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von einzelnen Leistungen ausgeschlossen wird. Die unterschiedliche Behandlung einer Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern entfällt nicht, weil der Arbeitgeber eine bestimmte Gruppe Teilzeitbeschäftigter nicht benachteiligt. Verglichen werden damit nicht die unterschiedlichen Gruppen Teilzeitbeschäftigter, sondern eine bestimmte Personengruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigten.
Daran gemessen lag hier eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit vor. Zwar differenziert die Arbeitgeberin hinsichtlich der Höhe des von ihr gezahlten Stundenlohnes nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten. Sie differenziert vielmehr zwischen einer Beschäftigungsgruppe, die sie als „hauptamtlich“ und einer Beschäftigungsgruppe, die sie als „nebenamtlich“ bezeichnet. Die „hauptamtlich“ Beschäftigten, die entweder in Vollzeit oder in Teilzeit tätig sind, werden von der Arbeitgeberin in ihre Dienstpläne eingeteilt. Die „nebenamtlich“ Beschäftigten, i.d.R. geringfügig Beschäftigte, teilen sich selbst ein. Dass es bei der Arbeitgeberin auch Vollzeitbeschäftigte gibt, die nicht von der Arbeitgeberin in die Dienstpläne eingeteilt werden, behauptet auch die Arbeitgeberin nicht.
Die Arbeitgeberin vergütet somit die Arbeitnehmergruppe der „nebenamtlich“ Teilzeitbeschäftigten anders als die Arbeitnehmergruppe der Vollzeitbeschäftigten. Somit liegt eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten vor, der den Anwendungsbereich von § 4 Abs. 1 TzBfG eröffnet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Arbeitgeberin hinsichtlich des unterschiedlichen Stundenlohns nicht direkt an das Kriterium der Arbeitszeit anknüpft. Es liegt jedenfalls eine mittelbare Anknüpfung vor, da die Praxis der „Nichteinteilung“ lediglich bei den „nebenamtlich“ Teilzeitbeschäftigten d. h. bei geringfügig Beschäftigten angewandt wird. Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt.