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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst wegen Identifikation mit sog. Reichsbürger-Ideologie

Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst wegen Identifikation mit sog. Reichsbürger-Ideologie

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat die Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst wegen seiner Identifikation mit der sog. Reichsbürger-Ideologie für wirksam erklärt.

Ein seit Juli 2019 bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigter Angestellter im Polizeidienst war u.a. im Objektschutz tätig und mit der Bewachung von Generalkonsulaten und jüdischen Einrichtungen betraut. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Auf seinem – inzwischen gelöschten – Linked-In-Profil gab der Mitarbeiter „Polizeidienst bei der Polizei Hamburg“ an. In einem auf seiner Homepage verlinkten Video fragte der Mitarbeiter: „#3 Talk About… Ist Deutschland besetzt oder frei? Einfach mal frei nach Schnauze!“. In diesem Video führte der Mitarbeiter u.a. aus, dass er das Grundgesetz als „Scheißdreck von Verfassung“ verstehe und von der Logik her das Grundgesetz „von unseren Besatzern“ und eine „nette Art Betriebsordnung“ sei. Ferner führte der Mitarbeiter in dem Video aus, dass er mittlerweile immer mehr davon überzeugt sei, „dass wir ein besetztes Gebiet sind“. Das Landesamt für Verfassungsschutz rechnet den Mitarbeiter dem Beobachtungsobjekt „Reichsbürger und Selbstverwalter“ zu.

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin ordentlich zum 31.12.2020 und der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt und führte aus, dem Mitarbeiter fehle zwar die persönliche Eignung für die Tätigkeit als Angestellter im Polizeidienst. Es lägen Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit und Verfassungstreue des Mitarbeiters vor, weil dieser sich entscheidende Fragestellungen der sog. Reichsbürger-Ideologie zu eigen gemacht habe. Die Kündigung sei aber nicht sozial gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, weil es der Arbeitgeberin zumutbar gewesen wäre, den Mitarbeiter auf einem weniger sicherheitsempfindlichen Arbeitsplatz zu beschäftigen.

Auf die von der Arbeitgeberin eingelegte Berufung änderte das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts ab und wiese die Kündigungsschutzklage ab. Aus Sicht des Landesarbeitsgerichts lagen begründete Zweifel an der Verfassungstreue des Mitarbeiters vor, womit es diesem an der Eignung für die vertraglich geschuldete Tätigkeit im öffentlichen Dienst mangelte. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L sind die Beschäftigten der Stadt Hamburg verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis. Er muss aber ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als er nicht davon ausgehen darf, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Die von dem Mitarbeiter im Internet dargestellten Äußerungen und seine Nähe zur sog. Reichbürger-Ideologie zeigen, dass der Mitarbeiter – zumal als Angestellter im Polizeidienst – nicht das erforderliche Maß an Verfassungstreue aufwies. Ein öffentliche Arbeitgeber muss aber keine Arbeitnehmer beschäftigen, die das ihnen abzuverlangende Maß an Verfassungstreue nicht jederzeit aufbringen. Die Arbeitgeberin war auch nicht gehalten gewesen, den Mitarbeiter auf einem anderen – weniger sicherheitsempfindlichen – Arbeitsplatz einzusetzen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22.04.2022

Aktenzeichen: 7 Sa 49/21