Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist bei Mutterschutz und Elternzeit
Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist nur wirksam, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von den Kündigungsgründen ausgesprochen wird (§ 626 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB). Was gilt aber, wenn vor dem Kündigungsausspruch noch eine behördliche Zustimmung zu der Kündigung eingeholt werden muss, etwa bei Mutterschutz und Elternzeit?
Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt, wenn der Arbeitgeber im Falle von Mutterschutz oder Elternzeit die behördliche Zulässigkeitserklärung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beantragt hat, gegen die Versagung der Zulässigkeitserklärung rechtzeitig Widerspruch bzw. Klage erhoben hat und sodann die außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Zustimmungserfordernisses (Ende des Mutterschutzes oder der Elternzeit) ausspricht.
Eine Mitarbeiterin war bei bei einer Arbeitgeberin mit der Vermittlung und Betreuung von Ferienwohnungen beschäftigt. Die Arbeitgeberin wollte ihr außerordentlich fristlos kündigen aufgrund eines Vorfalls im Mai 2019, bei dem die Mitarbeiterin eine eingenommene Kurtaxe i.H.v. 56,00 EUR nicht an die Arbeitgeberin abgeführt hatte. Da die Mitarbeiterin zu diesem Zeitpunkt schwanger war, beantragte die Arbeitgeberin beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (LaGuS), die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der Mitarbeiterin für zulässig zu erklären. Ab dem 24.06.2019 galt für die Mitarbeiterin ein Beschäftigungsverbot. Das LaGuS versagte mit Bescheid vom 15.07.2019 seine Zustimmung zur Kündigung. Die Arbeitgeberin legte hiergegen am 14.08.2019 Widerspruch ein.
Die Mitarbeiterin brachte am 04.09.2019 ihr Kind zur Welt und nahm anschließend Elternzeit bis zum 03.09.2020, die sie antragsgemäß erhielt.
Das LaGuS wies mit Bescheid vom 19.12.2019 den Widerspruch der Arbeitgeberin zurück, woraufhin diese am 21.01.2020 Klage beim Verwaltungsgericht erhob.
Am 03.09.2020 endete die Elternzeit der Mitarbeiterin. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04.09.2020 außerordentlich und fristlos. Das Kündigungsschreiben ging der Mitarbeiterin noch am 04.09.2020 zu. Die Mitarbeiterin klagte gegen die Kündigung.
Das Arbeitsgericht gab der Arbeitgeberin Recht und wies die Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin ab. In der Berufungsinstanz am Landesarbeitsgericht wurde insbesondere darum gestritten, ob die Kündigungserklärungsfrist eingehalten wurde. Die Mitarbeiterin war der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt sei. Die Arbeitgeberin hätte vor Ausspruch der Kündigung zunächst den beschrittenen Verwaltungsrechtsweg zu Ende gehen müssen. Ein Arbeitgeber könne diese Frist nicht dadurch umgehen, dass er das Ende des Sonderkündigungsschutzes abwarte.
Das Landesarbeitsgericht gab der Arbeitgeberin Recht und wies die Berufung zurück. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB war gewahrt. Nach dieser Vorschrift kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Hängt der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung von einer Zulässigkeitserklärung nach § 17 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ab, ist die Kündigungserklärungsfrist eingehalten, wenn innerhalb der Zwei-Wochen-Frist der entsprechende Antrag gestellt worden ist und die Kündigung nach Zustellung des die Kündigung für zulässig erklärenden Bescheides unverzüglich ausgesprochen wird. Damit wird weder die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB umgangen, noch der Sonderkündigungsschutz in der Schwangerschaft bzw. Elternzeit. Vielmehr sind auf diese Weise beide Regelungen in Einklang zu bringen. Es sind sowohl der Sinn und Zweck der Kündigungserklärungsfrist gewahrt, zeitnah Rechtssicherheit zu schaffen, als auch der Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes, während der Schwangerschaft oder Elternzeit vorübergehend einen erhöhten Bestandsschutz zu gewährleisten. Der behördlichen Zulässigkeitserklärung steht der Wegfall des Zustimmungserfordernisses gleich. Ab Kenntnis der zum Wegfall des Zustimmungserfordernisses führenden Ereignisse ist die Kündigung unverzüglich auszusprechen, d.h. in der Regel am ersten folgenden Arbeitstag (vgl. dazu auch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21.01.2000, Az. 11 Sa 1195/99). Dem war die Arbeitgeberin nachgekommen. Die außerordentliche Kündigung ist der Mitarbeiterin bereits am 1. Tag nach dem Ende der Elternzeit zugegangen.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15.03.2022
Aktenzeichen: 5 Sa 122/21