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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Urlaubsansprüche bei voller Erwerbsminderung bzw. durchgehender Arbeitsunfähigkeit

Urlaubsansprüche bei voller Erwerbsminderung bzw. durchgehender Arbeitsunfähigkeit

Generalanwalt Jean Richard de la Tour hat seine Schlussanträge in den beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen Rechtssachen Fraport und St. Vincenz-Krankenhaus (Az. C‑518/20 und C‑727/20), zu der Frage vorgelegt, ob Urlaubsansprüche im Fall voller Erwerbsminderung bzw. durchgehender Arbeitsunfähigkeit auch dann verfallen können, wenn dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit gegeben wurde, den Urlaub vor dem Eintritt der Erwerbsminderung bzw. Arbeitsunfähigkeit zu nehmen.

Hintergrund sind zwei beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängige Rechtsstreitigkeiten, in denen Mitarbeiter von Fraport bzw. des St. Vincenz-Krankenhauses Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub für das Urlaubsjahr geltend machen, in dem sie aufgrund einer Krankheit voll erwerbsgemindert bzw. arbeitsunfähig wurden. Das BAG hatte den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der EU-Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ersucht. Der EuGH soll klären, ob das EU-Recht einer nationalen Regelung entgegensteht, aus der sich ergibt, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer in dem Urlaubsjahr erworben hat, in dem eine volle Erwerbsminderung oder eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit eingetreten ist, die seitdem fortbesteht, nach Ablauf eines nach innerstaatlichem Recht zulässigen Übertragungszeitraums erlöschen kann, auch wenn diesem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit gegeben wurde, diesen Anspruch während der tatsächlichen Arbeitszeit wahrzunehmen, bevor die volle Erwerbsminderung bzw. die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eintrat.

Generalanwalt Richard de la Tour vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass die EU-Richtlinie 2003/88 und die Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub, der in einem Bezugszeitraum erworben wurde, in dem eine volle Erwerbsminderung oder eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit eingetreten ist, erlöschen kann, sei es nach Ablauf eines nach nationalem Recht zulässigen Übertragungszeitraums oder zu einem späteren Zeitpunkt, obwohl sein Arbeitgeber ihn nicht rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch vor Beginn dieser vollen Erwerbsminderung oder dieser Arbeitsunfähigkeit wahrzunehmen.

Schlussanträge des Generalanwalts vom 17.03.2022 zu EuGH, Az. C-518/20 u.a.