Berücksichtigung von Urlaubszeiten bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen
Ein bei einem Personaldienstleistungsuntermnehmen beschäftigter Leiharbeitnehmer verlangte für den Monat August 2017 einen Mehrarbeitszuschlag für 22,45 Stunden, um die er die Schwelle von 184 Stunden überschritten habe, sofern man seine Urlaubstage in die Berechnung einbeziehe. Von den 23 Arbeitstagen dieses Monats hatte er während der ersten 13 Tage insgesamt 121,75 Stunden gearbeitet, für die verbleibenden 10 Tage hatte er bezahlten Jahresurlaub genommen, was 84,7 Arbeitsstunden entsprach (= zusammen 206,45 Stunden).
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Hiergegen wendete sich der Mitarbeiter mit seiner Revision. Das BAG hatte Zweifel, ob der im Manteltarifvertrag vorgesehene Ausschluss von Urlaubszeiten bei der Berechnung der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigenden Arbeitszeit mit dem im Unionsrecht verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vereinbar ist. Es hat das Verfahren ausgesetzt und ersucht der EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens um Auslegung der Grundrechtecharta sowie der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.
Der EuGH entschied, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegensteht, nach der für die Berechnung, ob die Schwelle der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigenden Arbeitszeit erreicht ist, die Stunden, die dem vom Arbeitnehmer in Anspruch genommenen bezahlten Jahresurlaub entsprechen, nicht als geleistete Arbeitsstunden berücksichtigt werden. Ein Mechanismus zur Anrechnung von Arbeitsstunden, wie er hier in Rede steht und bei dem die Inanspruchnahme von Urlaub für den Arbeitnehmer ein geringeres Entgelt nach sich ziehen kann, da dieses um den für tatsächlich geleistete Überstunden vorgesehenen Zuschlag beschnitten wird, ist dazu geeignet, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, in dem Monat, in dem er Überstunden erbracht hat, von seinem Recht auf bezahlten Jahresurlaub Gebrauch zu machen. Dies im vorliegenden Fall zu prüfen, ist Sache des BAG. Jede Praxis oder Unterlassung eines Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer davon abhalten kann, seinen Jahresurlaub zu nehmen, verstößt aber gegen das mit dem Recht auf bezahlten Jahresurlaub verfolgte Ziel, zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt. Folglich ist ein Mechanismus zur Anrechnung von Arbeitsstunden wie der hier in Rede stehende nicht mit dem in der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vereinbar.