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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Betriebsvereinbarung unter aufschiebender Bedingung

Betriebsvereinbarung unter aufschiebender Bedingung

Eine Betriebsvereinbarung kann unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen werden, wenn der Eintritt der vereinbarten Bedingung für alle Beteiligten, auch für die Arbeitnehmer als Normunterworfene, ohne Weiteres feststellbar ist.

Eine Arbeitnehmerin stritt mit ihrem Arbeitgeber über eine Gehaltserhöhung auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung. Die Mitarbeiterin ist seit 2015 bei einem Verein als staatlich anerkannte Erzieherin in einer Kindertagesstätte tätig. Der Verein bietet verschiedene Leistungen der Jugendhilfe an und beschäftigt rund 200 Arbeitnehmer.

In der betreffenden Betriebsvereinbarung vom 29.03.2019 war für die Tätigkeit der Mitarbeiterin eine Gehaltserhöhung vorgesehen. Die Betriebsvereinbarung sollte jedoch erst „nach abgeschlossener Entgeltverhandlung“ (des Vereins mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe) gelten.

Nach Ansicht der Mitarbeiterin war ihr Arbeitgeber verpflichtet, die Gehaltserhöhung umgehend umzusetzen. Jedenfalls sei die in der Betriebsvereinbarung enthaltene Gehaltstabelle bereits ab dem 01.04.2019 gültig. Das ergebe sich aus der nebenstehenden Angabe „Stand 1.4.2019“.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitgeber Recht und wiesen die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Betriebsvereinbarung entfaltet für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Wirkung; sie steht unter einer aufschiebenden Bedingung, die jedenfalls bis November 2019 nicht eingetreten war.

Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist nicht per se bedingungsfeindlich. Insoweit bestehen gegen den Abschluss einer Betriebsvereinbarung unter einer aufschiebenden Bedingung jedenfalls dann keine rechtlichen Bedenken, wenn der Eintritt der vereinbarten Bedingung für alle Beteiligten, auch für die Arbeitnehmer als Normunterworfene, ohne Weiteres feststellbar ist.

Nach der Betriebsvereinbarung vom 29.03.2019 erfolgt die jeweils gültige Vergütung laut neuem Festgehalt nach abgeschlossener Entgeltverhandlung. Der Satzteil „nach abgeschlossener Entgeltverhandlung“ ist durch Komma abgetrennt, was ihn zusätzlich hervorhebt. Die in der Betriebsvereinbarung mit „Stand 1.4.2019“ angegebenen Festgehälter sind erst dann zu zahlen, wenn die Entgeltverhandlungen abgeschlossen sind. Der Stichtag der Gehaltstabelle entspricht demjenigen des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst, an den sich die Betriebspartner angelehnt haben. Die Gehaltstabelle ist eine Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.03.2019, deren Anwendbarkeit von dem Wirksamwerden der Betriebsvereinbarung abhängt. Es handelt sich nicht um eine eigenständige, getrennt zu betrachtende Regelung mit eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Der Begriff „Entgeltverhandlung“ bezieht sich auf die Verhandlungen des Vereins mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege Mecklenburg-Vorpommern. Wird ein Zeitpunkt nicht bestimmt, so werden die Vereinbarungen mit dem Tage ihres Abschlusses wirksam (§ 78d Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VIII).

Der Zeitpunkt des Abschlusses einer Entgeltvereinbarung mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist eine Bedingung, deren Eintritt mit hinreichender Sicherheit bestimmbar ist.

In dem hier maßgeblichen Zeitraum April 2019 bis einschließlich November 2019 sind die Entgeltverhandlungen nicht abgeschlossen worden. Die aufschiebende Bedingung „Abschluss der Entgeltverhandlung“ ist nicht eingetreten, so dass Ansprüche auf die in der Gehaltstabelle angegebenen Bruttomonatsvergütungen nicht entstanden sind.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29.06.2021

Aktenzeichen: 5 Sa 297/20