Wann ist ein Betrieb ein Baubetrieb i.S.d. Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes?
Vergibt ein Bauträger die eigentlichen baulichen Arbeiten an ein Subunternehmen, so ist sein Betrieb nicht als Baubetrieb anzusehen. Werden von ihm aber auch baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet, ist laut Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht auszuschließen, dass der Betrieb den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterfällt. Ausschlaggebend sei dabei die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer. Planung und Vertrieb seien dabei nicht dem Baugewerbe zuzuordnen.
Die Sozialkasse der Bauwirtschaft verklagte einen Bauträger auf Zahlung von aus ihrer Sicht rückständigen Beiträgen in Höhe von 6.122 EUR für sieben Angestellte von Januar bis November 2016. Dabei handelte es sich um Festbeiträge nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV 2015) von monatlich 79,50 EUR pro Arbeitnehmer. Der beklagte Gewerbebetrieb – eine GmbH – beschaffte Grundstücke, auf denen sie schlüsselfertige Bauobjekte entwickelte. Die eigentlichen Bauarbeiten ließ sie generell durch Subunternehmen erledigen. Zwei gewerbliche Arbeitnehmer arbeiteten auf den Baustellen vor Ort. Sie kontrollierten die Arbeiten, beschafften Material und bedienten einen Kran. Ihre Tätigkeit machte 20% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus. Daneben tätigten neun Angestellte überwiegend Buchhaltungs- sowie Verwaltungsarbeiten, überwachten Baustellen und übernahmen den Immobilienvertrieb. Die Kasse teilte mit, die Arbeiter hätten 2016 zu mehr als 50% ihrer persönlichen Arbeitszeit Maurer- und Betonarbeiten sowie Vor-, Neben- und Nachbereitungstätigkeiten erbracht. Das Arbeitsgericht Wiesbaden wies die Klage ab. Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) gab der Berufung der Kasse nur teilweise statt, da der gesamte Betrieb nicht als baugewerblich einzuordnen sei. Die Revision der Kasse beim BAG hatte Erfolg. Das höchste deutsche Arbeitsgericht entschied, dass nicht auszuschließen sei, dass die baulichen Tätigkeiten der beiden Arbeitnehmer den überwiegenden Teil der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht haben. Das BAG kritisierte, dass das LAG keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe, ob und welche Angestelltentätigkeiten im Zusammenhang mit den versehenen Bautätigkeiten stehen. Als Betrieb, in dem sowohl bauliche und nicht bauliche Arbeiten erfolgten, werde er möglicherweise von § 1 Abs. 2 VTV 2015 erfasst. Grundsätzlich komme es dabei auf die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Dafür sei sowohl die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer als auch die der Angestellten zu berücksichtigen. Es sei davon auszugehen, dass einer der auf den Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer zu 70% Kran- und Maschinenführertätigkeiten im Zusammenhang mit Maurer- und Hochbauarbeiten erbracht habe. Das LAG muss nun erneut über die Sache verhandeln.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.07.2021
Aktenzeichen: 10 AZR 190/20