GDL darf weiter streiken
Die Deutsche Bahn ist vor Gericht mit ihrem Versuch gescheitert, die Warnstreiks der Gewerkschaft GDL zu stoppen. Der Konzern unterlag sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main mit dem Versuch, eine einstweilige Verfügung zu erreichen. Die Lokführer dürfen also wie geplant bis Dienstag weiter streiken. Die Bahn will nun prüfen, ob sie von der GDL Schadensersatz verlangen kann.
Das Hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main hat in zweiter Instanz eine entsprechende einstweilige Verfügung gegen die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) abgelehnt. Die Bahn und die GDL stritten insbesondere um eine Klausel, mit der die GDL ihre Tarifverträge auch für Mitglieder durchsetzen will, die in Betrieben arbeiten, in denen eigentlich die Konkurrenzgewerkschaft EVG in der Mehrheit ist. Nach Auffassung des Gerichts müsse diese Klausel leerlaufen, mache aber nicht den gesamten Streikaufruf unwirksam. Das Gericht prüfte auch, ob die Lokführer einen illegalen Unterstützungsstreik für die anderen Bahn-Beschäftigten leisten. Schon am Vortag hatte das Arbeitsgericht befunden, dass die Streikziele der Gewerkschaft rechtmäßig sind. Mit der zunächst beim Arbeitsgericht beantragten einstweiligen Verfügung wollte die Bahn den Lokführerstreik stoppen, den die GDL am Donnerstag auch auf den Personenverkehr ausgeweitet hatte. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Zuvor war der Versuch des Vorsitzenden Richters Volker Schulze gescheitert, mit einem Vergleich beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückzuholen. Ein verbessertes Angebot der Bahn vom Mittwoch hatte die GDL zurückgewiesen, Verhandlungen abgelehnt und ihre dritte Streikrunde fortgesetzt. Das Arbeitsgericht entschied, es könne im Eilverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass mit dem Streik unzulässige tarifpolitische Ziele verfolgt würden. Im Übrigen schütze das aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgende Recht auf Koalitionsfreiheit nicht nur das Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sind, sondern auch das Recht auf Streikmaßnahmen zur Durchsetzung der Anwendung dieses Tarifvertrages auf die Mitglieder der Gewerkschaft. Es sei von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt, dass eine Gewerkschaft versuche, unter Berücksichtigung gesetzlicher Regelungen verbesserte materielle Arbeitsbedingungen für möglichst viele ihrer Mitglieder zur Geltung zu bringen.
Der Bahn-Personalvorstand Martin Seiler sagte in einer Mitteilung: „Wir haben im Interesse unserer Kunden alles unternommen, damit die GDL ihre Blockade der Tarifverhandlungen aufgibt.“ Er äußerte die Sorge, dass die Tarifrunde der Tarifautonomie in Deutschland schaden könnte. „Statt zu verhandeln, versucht die GDL ein Tarif-Diktat durchzusetzen.“ Ihre totale Kompromisslosigkeit sei mit der Verantwortung von Tarifpartnern nicht vereinbar. Seiler sagte, das Gericht habe klar zum Ausdruck gebracht, dass die GDL-Tarifverträge nur in Betrieben zur Anwendung kommen, in denen die Gewerkschaft eine Mehrheit habe. Eine von der GDL angestrebte Klausel, dass die Tarifverträge für alle ihre Mitglieder umgesetzt werden, sehe das Gericht als rechtswidrig an. Deshalb könne sie in den weiteren Verhandlungen nicht verwendet werden.
Die Gewerkschaft wies das Bahn-Tarifangebot zurück, weil es nicht für alle GDL-Mitglieder gelten soll. Der Staatskonzern verlange, den Geltungsbereich des neuen Tarifvertrags wie bislang auf das Fahrpersonal zu begrenzen. „Damit wird klar erkennbar, dass die DB einem Teil der GDL-Mitglieder ihre verfassungsgemäßen Rechte entziehen will“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky dem „Spiegel“. Damit drohe eine Spaltung der Gewerkschaft mit Mitgliedern erster und zweiter Klasse. Seit Donnerstagmorgen wird der Personenverkehr der Bahn bundesweit bestreikt. Der Ausstand begann am Mittwochnachmittag zunächst im Güterverkehr und soll nach fünf Tagen am Dienstag enden.
Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 03.09.2021
Aktenzeichen: 16 SaGa 1046/21