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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Selbstständiger Rechtsanwalt als arbeitnehmerähnliche Person

Selbstständiger Rechtsanwalt als arbeitnehmerähnliche Person

Ein selbstständiger Rechtsanwalt, der sämtliche Honorarforderungen gegen Zahlung eines monatlichen Fixums an eine Rechtsanwaltskanzlei für die Nutzung von deren Infrastruktur abtritt, kann als arbeitnehmerähnliche Person i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) anzusehen sein, woraus folgt, dass er seine Zahlungsansprüche gegen die Kanzlei vor den Arbeitsgerichten einklagen kann.

Sog. arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige. Sie sind anders als ein Arbeitnehmer nicht persönlich abhängig von einem Arbeitgeber, wohl aber wirtschaftlich abhängig von einem Auftraggeber.

Der betreffende Rechtsanwalt war von der beklagten Anwaltskanzlei wirtschaftlich abhängig. Er hatte von der Kanzlei knapp 70% seines gesamten Jahreseinkommens bezogen, so dass diese Tätigkeit seine entscheidende Existenzgrundlage darstellte. Dem stand nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt nur im Rahmen einer Drei-Tage-Woche anwaltlich tätig war, er im Übrigen an seiner Doktorarbeit gearbeitet und an den verbleibenden Tagen anderen Tätigkeiten nachgehen konnte. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist nicht zwingend dadurch charakterisiert, dass die Gestaltung des Vertragsverhältnisses den Dienstleistenden derart beansprucht, dass er daneben keine nennenswerte weitere Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann. Eine Teilzeittätigkeit, die in ihrer Sozialtypik einem Teilzeitarbeitsverhältnis nahesteht, steht daher der Annahme einer Arbeitnehmerähnlichkeit nicht entgegen. Der Rechtsanwalt war nach der tatsächlichen Durchführung seiner Tätigkeit außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem als Arbeitnehmer angestellten Rechtsanwalt vergleichbar schutzbedürftig. Dies ergab die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Zum einen war der Rechtsanwalt nicht Partner der Anwaltssozietät. Ein Rechtsanwalt, der aufgrund eines der Vorschrift des § 705 BGB entsprechenden Gesellschaftsvertrages Partner einer Anwaltssozietät ist, die auch den berufsrechtlichen Anforderungen entspricht, ist laut Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.04.1993, Az. 2 AZB 32/92, keine arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG, auch wenn er von der Sozietät wirtschaftlich abhängig ist. Ganz wesentlich für die einem Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit sprach, dass der Rechtsanwalt nach der tatsächlichen Durchführung der Tätigkeit seine Ansprüche auf Rechtsanwaltsgebühren in voller Höhe an die Anwaltskanzlei abgetreten und von diesen lediglich einen monatlichen Fixbetrag i.H.v. ca. 1.500 EUR netto erhalten hat. Er hat seine eigenen Mandate nicht auf eigene Rechnung betreut, sondern war in wirtschaftlicher Hinsicht vielmehr einem gegen Festgehalt als Arbeitnehmer beschäftigten Anwalt vergleichbar.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14.04.2021

Aktenzeichen: 4 Ta 148/20