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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kostenersatz für die Ermittlung von Pflichtverstößen eines Arbeitnehmers durch eine Anwaltskanzlei

Kostenersatz für die Ermittlung von Pflichtverstößen eines Arbeitnehmers durch eine Anwaltskanzlei

Der Arbeitgeber kann von einem Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde. Dem steht § 12a Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), wonach in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes besteht, nicht entgegen.

In dem zugrunde liegenden Fall ging es um einen Mitarbeiter, der als Leiter des Zentralbereichs Einkauf und Mitglied einer Führungsebene zu einem Jahresbruttogehalt i.H.v. zuletzt rund 450.000 EUR bei einem Arbeitgeber tätig war. Nachdem mehrere anonyme Verdachtsmeldungen wegen eventueller Compliance-Verstöße des Mitarbeiter eingegangen waren, traf das unternehmensintern zuständige Gremium die Entscheidung, eine Untersuchung unter Einschaltung einer auf die Durchführung von Compliance-Ermittlungen spezialisierten Anwaltskanzlei durchzuführen. Die Kanzlei legte einen Untersuchungsbericht vor, nach dem der Mitarbeiter u.a. auf Kosten des Arbeitgebers Personen ohne dienstliche Veranlassung zum Essen eingeladen sowie gegenüber dem Arbeitgeber Reisekosten für von ihm unternommene Fahrten zu Champions-League-Spielen des FC Bayern München abgerechnet hatte. Die Tickets für die Spiele hatte der Mitarbeiter auf Anforderung von Geschäftspartnern des Arbeitgebers erhalten. Die Anwaltskanzlei stellte dem Arbeitgeber für ihre Tätigkeit ausgehend von einem Stundenhonorar i.H.v. 350 EUR insgesamt rund 210.000 EUR in Rechnung. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Mitarbeiter fristlos, hilfsweise ordentlich wegen Verstoßes gegen das sog. Schmiergeldverbot, Abrechnung privater Auslagen auf Kosten des Arbeitgebers und mehrfachen Spesenbetrugs. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage, die rechtskräftig abgewiesen wurde. Mit einer Widerklage nahm der Arbeitgeber den Mitarbeiter auf Ersatz der von der Anwaltskanzlei in Rechnung gestellten Ermittlungskosten in Anspruch und begründete dies damit, der Mitarbeiter habe diese Kosten nach den vom Bundesarbeitsgericht (BAG) für die Erstattung von Detektivkosten aufgestellten Grundsätzen zu ersetzen. Der Mitarbeiter war der Auffassung, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe die Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Zudem habe der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Kosten nicht dargetan.

Das BAG wies die Widerklage in letzter Instanz ab. Ein Arbeitgeber kann zwar vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, gehören auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden. Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde. Dem steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen, sondern auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließt, nicht entgegen. Diese Bestimmung findet in einem solchen Fall keine Anwendung. Der Arbeitgeber hatte jedoch nicht dargelegt, dass die von ihm geltend gemachten Kosten erforderlich waren. Es fehlte an einer substantiierten Darlegung, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Mitarbeiter von der beauftragten Anwaltskanzlei ausgeführt worden waren.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.2021

Aktenzeichen: 8 AZR 276/20