Rückzahlung von Weiterbildungskosten
Viele Arbeitgeber sind gerne bereit, ihren Mitarbeitern Weiterbildungen zu finanzieren. Nachvollziehbarer Weise soll der weitergebildete Mitarbeiter seine neu gewonnenen Fähigkeiten dann aber bitte auch für den zahlenden Arbeitgeber einsetzen und nicht etwa kurz nach Abschluss der Weiterbildung kündigen und zur Konkurrenz abwandern. Da die Übernahme der Weiterbildungskosten durch den Arbeitgeber nicht mit einem Kündigungsverbot für den Mitarbeiter verbunden werden kann – dem steht das Grundrecht der Berufsfreiheit entgegen – versuchen Arbeitgeber, die weitergebildeten Mitarbeiter auf andere Weise an sich zu binden. Ein probates Mittel hierfür ist eine Rückzahlungsvereinbarung: der Mitarbeiter verpflichtet sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Rückzahlung der Weiterbildungskosten, falls er nach Abschluss der Weiterbildung kündigt und der Arbeitgeber deshalb nicht mehr von den erlernten Fähigkeiten des Mitarbeiters profitieren kann.
Bei der Gestaltung einer solchen Rückzahlungsvereinbarung ist allerdings besondere Sorgfalt gefragt, da die Arbeitsgerichte strenge Anforderungen an die Formulierung der Rückzahlungsmodalitäten stellen. Nicht selten führt ein einziges fehlendes oder missverständliches Wort zur Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsvereinbarung, weil das Gericht von einer unzumutbaren Benachteiligung oder Intransparenz der Vereinbarung ausgeht. Die Tücken liegen im Detail, was sich sehr gut anhand eines aktuelles Falls zeigen lässt:
Ein Mitarbeiter war als Gesundheits- und Krankenpfleger bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Da der Mitarbeiter eine Weiterbildung Intensivpflege/Anästhesie mit integrierter Ausbildung zum Praxisleiter absolvieren wollte, schloss der Arbeitgeber mit ihm einen vom Arbeitgeber vorformulierten Weiterbildungsvertrag. Dieser enthielt u.a. folgende Regelung zur Rückzahlung der Kosten:
„Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die dem Arbeitgeber entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der für die Zeit der Freistellung gezahlten Vergütung, zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Weiterbildung auf Wunsch des Mitarbeiters beendet wird oder das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat oder ordentlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird. Ebenfalls liegt eine Rückzahlungsverpflichtung für den gleichen Zeitraum vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch dessen vertragswidriges Verhalten veranlasst im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.“
Der Mitarbeiter absolvierte die Weiterbildung vom 01.11.2016 bis zum 30.09.2018 und kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 30.09.2018. Der Arbeitgeber verlangte deshalb die Rückzahlung der von ihm verauslagten Weiterbildungskosten. Der Mitarbeiter verweigerte die Zahlung und es kam zum Gerichtsstreit.
Das Gericht gab dem Mitarbeiter Recht und wies die Klage ab. Die Rückzahlungsklausel war unwirksam. Die Formulierung im Weiterbildungsvertrag „auf Wunsch des Mitarbeiters“ legte das Gericht so aus, dass damit jede Eigenkündigung des Mitarbeiters gemeint war und nicht nur grundlose Eigenkündigungen oder Eigenkündigungen, die ihre Ursache nicht in einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitgebers haben. Da die Rückzahlungsklausel im Hinblick auf die Eigenkündigung somit nicht nach dem Beendigungsgrund differenzierte, benachteiligte sie den Mitarbeiter unangemessen und war insgesamt unwirksam. Eine „geltungserhaltende Reduktion“ unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nicht möglich (Landesarbeitsgericht Hamm, Urt. v. 11.10.2019, Az. 1 Sa 503/19).
Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Rückzahlung von Weiterbildungskosten. Bei der Formulierung der Rückzahlungsvereinbarung ist darauf zu achten, dass für jede Beendigungsart (Eigenkündigung, Arbeitgeberkündigung, Aufhebungsvertrag) klar gestellt ist, dass eine Rückzahlungspflicht des Mitarbeiters nicht besteht, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Sphäre des Arbeitgebers liegt. Wenn der Arbeitgeber sich beispielsweise vertragswidrig verhält und den Arbeitnehmer damit zu einer Eigenkündigung drängt, darf der Arbeitnehmer nicht mit der Rückzahlung der Weiterbildungskosten belastet werden. Dies muss sich bereits aus der Formulierung der Rückzahlungsvereinbarung ergeben.
Des Weiteren ist eine Rückzahlungsklausel nur dann transparent, wenn der Arbeitnehmer abschätzen kann, welche Kosten die Rückzahlungsverpflichtung umfasst. Dies bedeutet, dass die durch die Weiterbildung entstehenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren bezeichnet werden müssen, indem zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der Weiterbildungskosten benannt werden. Daneben muss sich die Höhe der Rückzahlung der Weiterbildungskosten ratierlich vermindern. Üblich ist insoweit die Kürzung des Rückzahlungsbetrags für jeden Monat des Verbleibs des Mitarbeiters im Arbeitsverhältnis.
Schließlich ist zu beachten, dass der Mitarbeiter nur für eine begrenzte Zeit der Rückzahlungsverpflichtung unterliegen darf. Die zulässige Bindungsdauer hängt dabei insbesondere von der Dauer und den Kosten der Weiterbildung ab. Die Leitlinien der Rechtsprechung sind:
Dauer der bezahlten Arbeitsfreistellung zur Weiterbildung Bindungsdauer
Bis zu 1 Monat 6 Monate
Bis zu 2 Monate 12 Monate
3 bis 4 Monate 24 Monate
6 bis 12 Monate 36 Monate
Länger als 24 Monate 60 Monate
Werden die dargestellten Anforderungen bei der Formulierung der Rückzahlungsvereinbarung nicht beachtet, laufen Arbeitgeber Gefahr, dass die Rückzahlungsvereinbarung insgesamt unwirksam ist und sie in jedem Fall auf den Weiterbildungskosten sitzen bleiben.