Abrufkräfte auf 450 EUR-Basis
Arbeitnehmer, die ohne feste Arbeitszeit nur gelegentlich „auf Zuruf“ arbeiten, sind häufig geringfügig Beschäftigte (sog. 450 EUR-Kräfte). In der Praxis haben solche Mitarbeiter oftmals noch nicht einmal einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz schreibt vor, dass bei solchen „Abruf-Arbeitsverhältnissen“ eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit vereinbart werden muss, die in jedem Fall – also auch bei Nichtabruf oder weniger Abruf von Arbeit – zu vergüten ist. Hintergrund der Vorschrift ist, dass die Abruf-Mitarbeiter eine gewisse Planungssicherheit bzgl. ihrer Zeitgestaltung und ihres Einkommens haben sollen. Eine vorgeschriebene Mindeststundenzahl gibt es nicht, so dass auch ein ganz geringes Stundenkontingent (z.B. eine Stunde wöchentlich) vereinbart werden kann.
Wenn nun entgegen der Vorschrift keine bestimmte Arbeitszeit vereinbart wird, dann gelten laut Gesetz 20 Wochenarbeitsstunden als vereinbart (§ 12 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG). Diese 20 Wochenstunden müssen dann – unabhängig von dem tatsächlichen Arbeitseinsatz – auch vergütet werden. Auf diese Weise will der Gesetzgeber die Arbeitgeber dazu motivieren, sich an die Gesetzesvorschriften zu halten und eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit mit den Abruf-Arbeitskräften zu vereinbaren.
Die eigentliche Brisanz liegt im Bereich der Sozialversicherung. Wenn keine bestimmte Wochenarbeitszeit mit dem Abruf-Mitarbeiter vereinbart ist, dann müssen für die gesetzlich fingierten 20 Wochenarbeitsstunden auch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich Arbeit geleistet oder vergütet wurde (sog. Entstehungsprinzip in der Sozialversicherung). Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben jüngst darauf hingewiesen, dass der auf Basis der fiktiven Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bestehende Vergütungsanspruch des Abruf-Mitarbeiters selbst bei Ansatz des Mindestlohns die 450 EUR-Grenze für eine geringfügige Beschäftigung in der Regel überschreitet. Arbeitnehmer, die nur auf Abruf arbeiten, können also ohne Festlegung einer bestimmten Wochenarbeitszeit nicht mehr geringfügig beschäftigt werden.
Wer Abruf-Kräfte beschäftigt, sollte also dringend die zugrundeliegenden Arbeitsverträge prüfen und ggf. anpassen. Die nächste Betriebsprüfung kommt bestimmt!
Übrigens: ein Abruf-Mitarbeiter muss nur dann arbeiten, wenn ihm sein Arbeitseinsatz spätestens vier Tage vorher mitgeteilt wurde (§ 12 Abs. 3 TzBfG). Auch diese Vorgabe dient der Planungssicherheit des Mitarbeiters.